Es gibt kleine Aufreger im Alltag und mittelschwere: Die Hose ist gerissen, der Hund hat die Hausarbeit gefressen … oder die Schokolade ist aus. Dann gibt es noch die großen Aufreger. Die ganz großen Ungerechtigkeiten, die einem nicht immer sofort ins Auge springen, aber trotzdem da sind. Groß genug, um ihnen aus aktuellem Anlass eine neue Kategorie zu widmen. Prägt euch dieses Datum ein, denn erstmals in der Geschichte dieses Blogs verleihe ich den #AufregerdesMonats Award. Es gibt kein Preisgeld, keine Siegerehrung – aber jede Menge verbal aufs Maul! Und tadam tadaah, der erste Award geht an …
… die SWB! Wer mit diesem vielsagenden Kürzel nichts anzufangen weiß, keine Bange. Die Stadtwerke Bonn (SWB) und deren Busse und Bahnen sind wohl nur Bonnern ein Begriff. Aber hier geht es nicht um Regionales, hier geht es ums Prinzip. Denn eines ist schon mal klar: Um einen Award wie den #AufregerdesMonats zu verdienen, braucht es etwas mehr, als ein paar verspätete Busse und Bahnen. Viel mehr.
#AufregerdesMonats – The origin story
Um ein paar grundsätzliche Worte über diesen Award zu verlieren: Ich rege mich gerne auf. Wirklich sehr gerne und sehr gerne über Kleinigkeiten. Meist behalte ich die für mich, koche innerlich und lasse dann alles abends an meinen armen Sparring-Partnern aus. Aber manchmal, da packt es mich. So auch diesmal. Eine versteckte große Ungerechtigkeit, die scheinbar noch keinem Schwein aufgefallen ist. Der #AufregerdesMonats soll das ändern. Aber beginnen wir ganz am Anfang …
Die SWB: kein Freund, kein Helfer
Es war Sonntag, der 24. März, und ein eisiger Wind pfiff uns entgegen, als ich mit dem Sonderbus über die Viktoriabrücke gen Köln pendelte. Meine Mission: Sechs Vertretern der Gattung Gallus gallus domesticus einen Stall zu zaubern und ihn mit „Skandinavisch rot“ optisch in die blühenden Birkenwälder Smålands zu transponieren. Ich war guter Dinge, dann erreichten wir die Haltestelle Frankenbad und der Bus kam für einen Moment zum Stehen.
Ich, noch immer das alte Streberkind von damals, saß mal wieder ganz vorne. Gelangweilt musterte ich durch die Scheibe das Haltestellenschild direkt vor meiner Nase. Da klebte eine Notiz: Kundeninformation!
Fahrgäste, die auf einen Elektrorollstuhl angewiesen sind oder ihren Rollstuhl nicht verlassen können, haben die Möglichkeit unter der Telefonnummer
0180 6151515*
ihren Fahrtwunsch mindestens 120 Minuten vor der Fahrt anzumelden.
*(Festnetz 20ct/Anruf, Mobil max. 60ct/Anruf)
Ich stutzte. Ne, das ist bestimmt ein Scherz, dachte ich und las den Wisch nochmal. Langsam dämmerte mir, dass es sich bei dem Zettel keineswegs um einen Streich von Barbara, sondern um bitteren Ernst handelte. Schnell fingerte ich mein Smartphone aus der Tasche und knipste ein Foto.
Während der Bus wieder an Fahrt aufnahm, wischte ich irritiert auf dem Display herum. Das konnte doch nicht sein! Kurz dachte ich an mein verpeiltes Selbst. Als Student ist man viel unterwegs, vorzugsweise mit Bus und Bahn und gerne flexibel. Vor allem an fremden Orten ist die Möglichkeit, schnell mal den Bus zum nächsten Ankerpunkt zu nehmen, unbezahlbar. Was also sollte das? Haben Menschen im Rollstuhl etwa kein Recht auf Spontanität? Kann man bei 120 Minuten Vorlaufzeit noch von Mobilitätsgarantie sprechen?
Mobilitätsgarantie? Am Arsch!
Auf dem Dorf mögen Wartezeiten von zwei Stunden keine Seltenheit sein, aber da gelten sie für alle. Und in der Stadt? Da geht es hektisch zu. Flexibilität steht im Lebenslauf ganz oben und wer jeden Ritt zur nächsten Gießkanne erst einmal in den Kalender eintragen muss, gilt als Sonderling.
Langsam wurde ich richtig sauer. Um meinem Ärger Luft zu machen wählte ich den Weg, den alle Trolle nehmen. Ich mied die Minen von Moria und versuchte mein Glück auf Facebook. Da war es: SWB Bus und Bahn – zwei Sterne. Beim Versuch, das Foto nebst saftigem Kommentar auf der Besucherseite loszuwerden, stieß ich auf die erste Hürde. Der Kommentar musste erst vom Admin freigeschaltet werden. Ich wartete. Nichts.
Ein paar Tage ließ ich die Sache ruhen, immer noch auf eine Antwort wartend, dann versuchte ich es via Twitter. Und siehe da, einen Tag später kam die Antwort, mit der ich gerechnet hatte.
An diesem Punkt endet die Geschichte vorerst. Ich musste einsehen, dass jenes Verantwortungsgeschachere zwischen kommunalem Unternehmen und Stadt in der Geschichte der Bundesrepublik ein absoluter Einzelfall war. Wer in Deutschland Hilfe bei einer Behörde sucht, der wird sie auch stets bekommen. Ironie off. Für die Potterheads tut es mir leid, aber es gibt keinen Phoenix, der einen aus der kafkaesken Hölle zieht und keinen Mann mit Rauschebart, der Die-deren-Name-anonym-bleibt in die Knie zwingt.
Falsches Engagement und Dreistigkeit
Die SWB brüstet sich gerne mit ihren Errungenschaften und Arbeitskreisen in Sachen Barrierefreiheit. Aber so weit kann es damit nicht her sein, wenn die Barrierefreiheit der Kunden es nicht einmal wert ist, eine kostenlose Hotline einzurichten. Immerhin: Über den interaktiven Netzplan der SWB können Menschen mit Behinderung barrierefreie Haltestellen in ihrer Nähe finden. Auch die Haltestelle Frankenbad ist darauf verzeichnet. Eine Info, dass der Bus Menschen im Rollstuhl nur mit Voranmeldung befördert, gibt es nicht. Man erfährt also erst an der Haltestelle, dass man doch bitte zwei Stunden vorher hätte anrufen müssen.
Um mit meiner Laudatio langsam zum Ende zu kommen: Liebe SWB, ich ziehe den Hut vor so viel Ignoranz und Dreistigkeit. Auch jedes Schamgefühl scheint euch abhanden gekommen, da ihr euch nicht einmal die Mühe gemacht habt, die Fußnote mit dem * ganz klein auf die unterste Ecke des Blattes zu quetschen. Euer Kundenservice ist knorke, sofern man den Verweis von der einen zur anderen Behörde als Service bezeichnen kann. Und deshalb habt ihr diesen Award auch mehr als verdient!
Was war dein Aufreger des Monats? Sind dir schon einmal grobe Mängel in punkto Barrierefreiheit aufgefallen oder bist du vielleicht sogar selbst betroffen? Ich freue mich auf deinen Kommentar!