#Waldtagebuch
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Delirium – #Waldtagebuch

Schaukel Baumhaus Besetzung Garzweiler

Dieser Beitrag ist Teil der Blog-Serie #Waldtagebuch. Alle Beiträge der Reihe findest du hier.

Keyenberg, 12.06.21 – „What the … wollt ihr mich verarschen“, denke ich, als ich aus dem Schlaf schrecke. Direkt vor dem Tower hat es gewaltig gekracht.

„Shit“, höre ich jemanden fluchen, dann ist Stille.

Ich schiebe die Schlafmaske hoch und schiele auf mein Handy: 4 Uhr. Fuck. Stöhnend lasse ich mich zurücksinken und schließe die Augen. Nicht mal drei Stunden geschlafen. Erst hat mich die Party wachgehalten und jetzt das. Warum?

Eine halbe Stunde bleibe ich so liegen, schlafen geht nicht mehr. Außerdem ruft die Natur. Erschöpft krieche ich aus dem Schlafsack und tappe die Leitern im Tower hinunter. Scheinbar habe ich als einzige die Nacht hier verbracht.

Draußen dämmert es bereits. Als ich meine Füße auf den Waldboden setze, sehe ich mich um. Dem Lärm nach erwarte ich ein Kraterloch oder zumindest einen Bulldozer, aber alles ist grün. Alles wie gewohnt. Ich schwanke ein paar Schritte in Richtung Plenumsort und bleibe stehen. Ne, irgendwas ist anders.

Mein übermüdeter Kopf braucht einen Moment, bis er das zusätzliche Grün einordnen kann. Quer über dem Weg liegt ein Baum, die Deckenplane des Lagers ist eingedrückt. Wie ist der denn jetzt da hingekommen? Mein innerer Columbo erwacht, mit trüben Augen mustere ich die Stelle genauer. Das Teil muss umgeknickt sein. Fünf, sechs Meter ist es lang. Moment, stand da vorher überhaupt ein Baum?

„Ein Ast“, murmele ich. Ich spüre förmlich, wie die rostigen Rädchen in meinem Kopf rattern und messerscharfe Gedanken meinen Geist durchzucken. Äste sind normalerweise an Bäumen dran. Wo kommt dieser Ast her? Langsam wandert mein Blick nach oben. Ach da. In gut zwanzig Metern Höhe erkenne ich eine saubere Bruchstelle. Hm. Ich gehe um den Ast herum und gucke nach, ob jemand drunter liegt. Ne, Glück gehabt.

Ich gähne und entscheide, dass der Ast ein Problem von morgen ist. Dann folge ich dem Ruf der Natur.

Ast Baum Waldsterben Sommerbruch
Auseinandergesägt und bei Tageslicht: Scheinbar war Sommerbruch Grund für den Absturz.

Ain’t no sunshine when she’s gone
And she’s always gone too long
Anytime she’s goes away …

Zum zweiten Mal an diesem Tag richte ich mich auf. Durch den Wald dringt der Klang von Timons Saxofon, pünktlich wie jeden Morgen. Normalerweise freue ich mich über diesen Wecker, heute nicht.

Mehr schlecht als recht bringe ich das Plenum hinter mich. Meine Augenringe hängen bis zu den Knien. Scheiß drauf, denke ich zwei Stunden später, schlüpfe in meinen Klettergurt und bahne mir einen Weg durchs Brombeergebüsch. Während ich in Zeitlupe die Windungen an meinen Karabinern zuschraube, überlege ich, ob ich in diesem Zustand klettern sollte. Doch, jetzt erst recht, denke ich. Wenn dir das Leben einen miesen Tag beschert, geh schaukeln.

Ich stemme mich in die Fußschlinge, ziehe die Brustprusik höher und mache mich an den Aufstieg. Die Luft ist warm und die Sonne taucht die Wipfel in freundliches Smaragdgrün. Als ich auf 20 Metern angelangt bin, schnappe ich mir die Schaukel und parke mein Hinterteil. Ich atme tief ein, greife die Stricke und lehne mich nach hinten, um Schwung zu holen. Langsam setzt sich die Schaukel in Bewegung. Es ist schön hier, denke ich, als ich irgendwann innehalte und den Ausblick genieße. Wie Feenstaub tanzen die Pollen vor mir durch die Luft.

Tief unter mir sehe ich den Physio, der extra aus dem Danni gekommen ist, um die Aktivisti im Wald einzurenken. Er sieht zu mir hinauf und grinst. Könnte doch noch ein schöner Tag werden, denke ich, als ich wieder zu schaukeln beginne.

Wonder this time where she’s gone
Wonder if she’s gone to stay
Ain’t no sunshine when she’s gone
And this house just ain’t no home
Anytime she goes away …

Schaukel Baumhaus Besetzung
Schaukeln in 20 Metern Höhe ist echt ganz okay.

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