#Waldtagebuch
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Happy Meal – #Waldtagebuch

Waldtagebuch Pendeln Besetzung

Dieser Beitrag ist Teil der Blog-Serie #Waldtagebuch. Alle Beiträge der Reihe findest du hier.

Keyenberg, 09.06.21 – „Du überraschst mich, Grobi.“

„Wieso? Weil ich kiffe?“ Kritisch blicke ich auf den verkrüppelten Joint, den ich eben aus den Tiefen meiner Bauchtasche gekramt habe. „Ist eh nur CBD.“

„Ne, ach“, druckst Timon. „Am Anfang warst du so ruhig und in dich gekehrt. Mittlerweile gab es immer wieder Momente, wo ich doch echt erstaunt war.“

Meint er etwa meinen Auftritt bei der „No Talent Talent Show“ letzten Donnerstag? Die hatte mir echt den Tag gerettet. Meine Zaubernummer als Fantastischer Horst hatte das Eis zwischen mir und den anderen jedenfalls gebrochen.

„Das war nur die Aufwärmphase“, grinse ich und wische mir einen Moskito vom Arm.

Don´t judge a book by it´s cover, denke ich wenige Minuten später, als ich meinen Kram zusammenpacke und vor den Mücken in den Tower flüchte. Ich kenne keinen, auf den dieser ausgelutschte Spruch mehr zutrifft, als auf mich selbst. Wäre mir Timon in Bonn über den Weg gelaufen, hätte er mich nicht wiedererkannt. Ich seh nach allem aus, aber nicht wie eine, die neben der Uni im Wald wohnt und Bäume besetzt. Keine Ahnung, ob das was Gutes ist.


Bonn, 10.06.21 – Suchend fährt mein Blick über die Regale. Pflaster, Desinfektionsmittel, Nahrungsergänzugsm… wo ist das scheiß Mückenspray? Unruhig tigere ich durch die Gänge der Drogerie, bis ich in der Beauty-Abteilung neben der Sonnencreme fündig werde. Hallo?! So wie ich das sehe, sind Mückenstiche eine ernstzunehmende Angelegenheit. Kurz werfe ich einen Blick in den frauhohen Spiegel neben den Nagelscheren. Schande, ich sehe aus, als hätte ich die Pest. Vom Shortsaum bis zu den Schuhen sind meine Beine mit riesigen, rot geschwollenen Dellen bedeckt. Aua.

Eilig wende ich mich ab und versuche mir einzureden, dass ja wohl keiner auf die Beine einer eilig vorbeihuschenden Frau achten wird. Mit einem Handgriff verschwindet das Mückenspray in meinem Wagen, auf dem Weg zur Kasse lasse ich noch Kühlgel und Desinfektionsmittel dazu plumpsen. Viel hilft viel.

Als ich kurze Zeit später die Tür zu meinem WG-Zimmer aufschließe, fängt es in meiner Tasche an zu surren. Endlich Internet, denke ich, lasse die Einkäufe zu Boden sinken und krame mein Handy heraus. Eigentlich bin ich für einen Termin in die Stadt gekommen, aber seit das Internet im Wald streikt, bekommen meine Besuche hier eine andere Bedeutung.

Wegen dem WLAN war das Waldprojekt überhaupt erst möglich gewesen. Online-Seminare und Masterarbeit kann man ohne Internet knicken. Ich seufze und hoffe innerlich, dass das Problem bis zu meiner Rückkehr gelöst ist. So leicht gebe ich nicht auf.

Während ich meine Wundmale sorgsam mit Fenistil beschmiere, spüre ich wie mein Puls rast. Das viele Pendeln in der vergangenen Woche macht sich bemerkbar. Ich versuche, tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder auszuatmen. Geht nicht. Sagen die ganzen Yogis nicht, dass man dadurch runterkommt? Drogen sind keine Lösung, denke ich. Pendeln auch nicht. Wie oft habe ich mir zuletzt gewünscht, voll und ganz im Wald sein zu können. Scheiße, wieso muss das Leben immer dazwischen funken?

Ich werfe mir ein Kleid über und begutachte meine verarzteten Stiche im Spiegel. Es ist nicht alles schön, denke ich. Wer das Happy Meal will, muss eben auch mit dem Plastikspielzeug klarkommen. Hastig ziehe ich meine Sandalen über, schließe die Tür ab und schwinge mich zum vierten Mal an diesem Tag aufs Fahrrad. Nase ein, Mund aus. Wuuzaaa.

Mückenstiche Wald Baumhaus Besetzung
Stand nach einer Woche. Nach Pest sah es erst ein paar Tage später aus.

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