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Fred von der Kante – #Heimatdorf

Mahnwache Lützerath Garzweiler

Dieser Beitrag ist Teil der Serie #Heimatdorf. Den ersten Artikel findest du hier.

Es ist der 20. Juli 2020, der sich Fred ins Gedächtnis gebrannt hat. Monatelang hatten Anwohner und Aktivistis für den Erhalt der L277 gekämpft. Einer Landstraße, die als Rote Linie zwischen den bedrohten Dörfern und dem Garzweiler Tagebau galt. „Als im Juli die Abrissarbeiten begannen, war für uns eine Grenze überschritten“, sagt Fred. Die Mahnwache, die seit diesem Tag den Eingang zum Dorf Lützerath markiert, hat er mitgegründet.

„Angefangen haben wir mit einem Campingstuhl, einem Campingtisch und einer Feuertonne“, erzählt der gebürtige Kölner. Mittlerweile hat sich die Mahnwache in eine winterfeste Oase verwandelt, unter Einhaltung der Corona-Regeln ist Tag und Nacht jemand vor Ort. „Mit dieser festen Struktur stellen wir uns dem Abriss der ersten Häuser hier in Lützerath entgegen“, sagt Fred.

Die Lützerather Mahnwache ist Anlaufstelle für Aktivist_innen aus ganz Deutschland.

Wie genau das aussieht, konnte man in den vergangenen Wochen medial verfolgen: Als Anlaufstelle für Aktivist_innen aus ganz Deutschland ist die Mahnwache Basis für zahlreiche Aktionen. „Manche klettern auf die Dächer der geräumten Häuser, andere veranstalten friedliche Sitzblockaden, um Abrissfahrzeuge zu behindern“, berichtet Fred. Bislang klappt das ganz gut, ab dem 18. Januar aber soll es ernst werden. Dann will RWE die ersten Häuser im Dorf abreißen – Bündnisse wie Lützerath Lebt! mobilisieren bereits. Ein großes Aufkommen von Polizei und RWE Security wird erwartet.

Die Lützerather Mahnwache ist seit Juli 2020 Tag und Nacht besetzt. Foto: Anina Boedecker

Eine ganze Region ist gespalten

„Bislang haben wir ein gutes Verhältnis zur örtlichen Polizei und den kommunalen Behörden“, erklärt Fred. Angesichts vergangener Proteste wie im Hambacher und zuletzt im Dannenröder Forst, ist das keine Selbstverständlichkeit. „Inhaltlich sind die Beamten bei uns. Das sind Leute von hier und die haben natürlich erlebt, was das mit den Menschen macht, die ihre Heimat verlieren.“ Nur bei den Aktionen, wo Bereitschaftspolizei mit Hundertschaften vor Ort sei, gehe es manchmal ruppig zu.

Der Widerspruch zwischen Herkunft und Industrie spaltet auch die bedrohten Dörfer.

Der Widerspruch zwischen Herkunft und Industrie spaltet auch die Dörfer: „Zur Wahrheit gehört dazu, dass es auch ganz viele Menschen gibt, die sich mit RWE finanziell geeinigt haben“, so Fred, „und die nicht so an ihrer Heimat und ihrem Zuhause hängen.“ Diese fingen entweder ganz woanders neu an oder zögen in die neu gegründeten Ersatzdörfer. Ein neues Lützerath gebe es auch schon.

Dem gegenüber steht das gute Drittel der Menschen, die bleiben wollen. Als Teil der Mahnwache erlebt Fred die Schicksale hautnah mit. „Die leben dann etwa auf einem alten Vierkanthof, der seit vielen Generationen in Familienbesitz ist“, sagt er. „Für diese Leute ist das wirklich ganz schwer.“ Viele von ihnen seien deshalb auch im Bündnis Alle Dörfer Bleiben organisiert. „Die kämpfen seit Jahren gegen RWE und die Zerstörung ihrer Heimat.“

Am 19. Juli kämpften diverse Bündnisse mit einer Großdemonstration um den Erhalt der L277. Credits: Extinction Rebellion Bonn

Hundert Meter bis zur Kante

Um was es geht, zeigt die Aussicht von der Mahnwache: Wo im Juli noch Bäume, Felder und eine Straße waren, herrscht jetzt schlammige Einöde. Noch immer sind LKWs damit beschäftigt, das Wurzelwerk der gefällten Bäume abzutransportieren. Hundert Meter weiter gähnt der Tagebau, drei Bagger sind in Sichtweite rund um die Uhr in Betrieb. „Normalerweise sind die viel näher am Dorf dran“, sagt Fred und zeigt auf einen Kohlebagger, der auf Höhe Keyenbergs die Erde abträgt. Das Mahlen der Schaufeln dringt selbst an ruhigen Tagen bis in den Ortskern. „Wir hören Tag und Nacht die Geräusche von Baggern und Förderbändern.“

Drei Bagger sind rund um die Uhr in Betrieb. Das Mahlen der Schaufeln dringt selbst an ruhigen Tagen bis in den Ortskern.

So angespannt die Lage unter Dorfbewohnern und Aktivistis auch ist, in einer Hinsicht hat RWE der Mahnwache einen Gefallen getan: „Am Anfang, als die L277 geschlossen wurde, wurde die Straße bei vielen Navis noch als Abkürzung zur Autobahn empfohlen“, erzählt Fred. „Hier waren 40-Tonner ohne Ende, hier war fast Autobahnverkehr.“

Beim Wenden seien aber auch einige Menschen stehen geblieben und hätten sich über die Lage der Dörfer informiert. „Das ist unser Hauptziel als Mahnwache“, sagt Fred. Man wolle das Thema medial und über persönlichen Kontakt nach Außen tragen. Ob der öffentliche Druck am Ende ausreicht, die bedrohten Dörfer zu retten, steht auf einem anderen Blatt.

Die Grube fest im Blick: Die Bagger vor Lützerath arbeiten rund um die Uhr. Foto: Anina Boedecker

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