… & other adventures. Doch immer mit der Ruhe. Was ist der erste Gedanke, den man mit einer Stadt wie Prag verbindet? Klar: die Goldene Stadt, Stadt der tausend Brücken, Postkommunismus, bla bla bla. Alles in allem eine ziemlich labbrige Basis, um sich in ein ERASMUS-Semester zu stürzen. Doch genau das habe ich getan! Unvorbereitet (open minded) und mit null Tschechisch-Kenntnissen im Gepäck, hat sich bald herausgestellt, dass planlos manchmal der beste Plan überhaupt ist. Jetzt, fast am Ende angelangt, will ich die Gelegenheit nutzen, um einen kleinen Einblick in die letzten paar Monate zu geben. Besonders für all jene, die selbst mit dem Gedanken spielen ein Semester in Prahaaa zu verbringen (Tschechisch-Lesson Nr. 1). Daher hier ein kleines Update zu meinen Erfahrungen, diesmal dem Anlass entsprechend etwas abgewandelt.
Der 1. Eindruck: Ein grauer Vormittag Mitte Februar. Mit der Carl-Maria-von-Weber Bahn, lasse ich mich durch die winterliche Landschaft Tschechiens kutschieren. Das Ziel: Prag. Die Aussichten: eher grau als golden. Vorbei an Feldern, Wäldern und Fabriken, auf denen noch immer Hammer und Sichel prangen. Das erste Klischee scheint sich zu bestätigen: Willkommen im Land des Postkommunismus. Als der Zug mit dem unsäglichen Namen schließlich über die Moldau (hier: Vltava) rumpelt, raffe ich endgültig, dass Ostdeutschland hinter mir liegt: Kuppeldächer und Prachtbauten erinnern mich zunächst an Paris und trotz des Dreckswetters, muss ich mir verwundert die Augen reiben.
Die Sprache: Was zunächst an unverständliche Sandkastensprache erinnert, entpuppt sich im späteren Tschechisch-Kurs als (fast) so knifflig wie Altnordisch (ihr wisst wovon ich rede ^^). Obwohl die unsägliche Aussprache relativ schnell zu bewältigen ist, habe ich selbst nach einem Semester das Gefühl, nicht weit über „Guten Tag!“ hinausgekommen zu sein. Grundsätzlich sollte man besonders zu Anfang des Aufenthalts immer Google-Translate bei der Hand haben, da vor allem die älteren Tschechen oft kein Englisch sprechen (mit Deutsch hat man manchmal mehr Glück).
Sehenswert: Ähm … die Frage lautet wohl besser: was nicht! Trotz Kriegs-Gebomberei ist das alte Prag nämlich fast ausnahmslos erhalten geblieben. Moderne Fassaden sieht man hier nur selten und was man sieht, ist geradezu pervers schön. Prag ist nicht nur die goldene Stadt, sondern auch der feuchte Traum eines jeden Architektur-Studenten. Davon abgesehen gibt es natürlich die typischen Touristen-Highlights (Karls-Brücke, Prager Schloss, Klementinum etc.), aber besonders die Viertel abseits des Touri-Zentrums sind sehenswert. Zu nennen wäre da z.B. die Kleinseite oder Vinohrady (beides Hipster-Viertel).
Der Flair: Wie bereits erwähnt, musste ich beim ersten Blick auf Prag unwillkürlich an Paris denken. Architektonisch mag das in mancher Hinsicht stimmen, auf der anderen Seite könnten die beiden Städte unterschiedlicher nicht sein. Da sind vor allem die Leute, dank denen ich mich trotz der fremden Umgebung unglaublich schnell heimisch gefühlt habe. Sorry an die Paris-Fans, aber Prag ist das Gegenteil von dem arroganten, abgehobenen Flair, der mich an der Seine empfangen hat. Die Menschen hier sind sehr auf dem Teppich geblieben, mit derbem Humor und einer überdenkenswerten Flüchtlingspolitik. Trotzdem habe ich selten ein Land erlebt, dass so sehr sozial mit sich im Reinen scheint …
Das Essen: In der Tschechischen Küche gibt es eine Grundregel und die heißt: FLEISCH. Und das ist keine Übertreibung. Wer dachte, wir Deutschen seien Weltmeister im Schlemmern und Saufen, wird hier eines Besseren belehrt. Denn Essen ohne Fleisch ist hier kein Essen und an Gemüse kennt die traditionelle Küche zwei Komponenten: Kohl und Kartoffeln. Das Ganze noch einmal triefend in Fett geschwenkt und fertig ist das Mittagessen. Mmmh. Verständlich, dass ich als Pflanzenfresser hier erstmal das große Kreischen gekriegt habe. Doch in der dunkelsten Stunde, blinkte eine vertraute Leuchtreklame am Horizont: dm! Ja, die Tschechen importieren gerne Supermärkte und deren Inhalt, vor allem wenn er aus Deutschland kommt. Und obwohl sich die Produkte hier in mancherlei Hinsicht unterscheiden, hat mir Götz Werner in diesem Fall das Leben gerettet. Außerdem praktisch: Essen gehen ist in Tschechien (zumindest für deutsche Verhältnisse) extrem günstig. Am Ende bin ich jeden Tag in das gleiche vegane Restaurant gegangen und habe mich dort durch jedes einzelne Dessert geschlemmert – verhungert bin ich am Ende also doch nicht.
Kunst & Kultur: Was macht eine Köln-Bonnerin im Ausland? Sie geht in die Ausstellung eines in Köln wirkenden Malers, die ein paar Monate später in Bonn gastiert. So viel zum Kulturaustausch, Herr Gerhard Richter. Spaß beiseite. Tatsächlich sind die Kunstmuseen hier sehr sehenswert, aber auch den Theatern und der Oper sollte man dringendst einen Besuch abstatten. Ob nun ein klassisches Konzert im Rudolfinum (scheiße-teuer, da viele Touristen), ein visuelles Feuerwerk in der Laterna Magika, oder eine Inszenierung von „A Midsummernights Dream“ im alten Staatstheater. Auch wenn man im Zweifelsfall kein Wort versteht, sollte man die Prager Kulturhäuser allein schon wegen der Architektur einmal von innen gesehen haben. Einmal im Národní divadlo gewesen, begreift man spätestens, warum Prag den Ruf als „Goldene Stadt“ innehat.
Shopping: Was die „normalen“ Läden angeht, hat Prag nicht mehr zu bieten, als jede andere Metropole auch. Ketten wie Topshop und Sephora locken hier mit den gleichen Preisen wie auch bei uns, Schnäppchen sind also nicht drin. Was seeeehr viel interessanter ist, sind die Second Hand Shops! MINT, Boho Concept und Fifty Fifty sind die besten, um nur ein paar zu nennen. Und ja: ich weiß wovon ich rede. Außerdem haben mich die versteckten Bazare Vinohrady´s (überhaupt der BESTE Ort zum Hipster-Shopping) nicht zuletzt dazu verleitet, eine Tonne böhmischer Kristallvasen zu erwerben. Wie ich die vorzeitig nachhause gekriegt hab, ist eine andere Geschichte.
Das Umland: Verdammt schön. Wer eine längere Zeit in Tschechien verbringt, sollte unbedingt auch die Sehenswürdigkeiten außerhalb Prags erkunden. Dabei ist hier die Natur das größte Highlight! Ein Traum. Wer braucht Neuseeland, wenn er Tschechien haben kann.
Soooo und das wars auch schon. Grundsätzlich hatte ich mir das Semester in Prag sehr viel chaotischer vorgestellt, als es tatsächlich war. Am Ende war der ganze ERASMUS-Papierkram so ziemlich das einzige Ärgernis (und selbst das Wohnheim überlebt man). Das ERASMUS-Studium selbst ist eine Geschichte für sich, aber vielleicht habe ich ja ein klein wenig das Fernweh in euch geweckt :) Solange: Pozdravy z Prahy! Oder so.