Auf Knien kauere ich auf dem Boden. Hinter mir drücken die Gitterstäbe gegen meinen Rücken, neben mir drängt sich ein Leidensgenosse in eine weitere Ecke des engen Käfigs. Das Surren des Schurmessers ist allgegenwärtig. Ebenso die schmerzerfüllten Schreie eines panischen Artgenossen, der soeben die Tortur über sich ergehen lassen muss. Sein noch vorhandenes Fell ist blutgetränkt, die Stelle, wo das Messer abgerutscht ist, ist klar zu erkennen.
Nur zu gut kann ich es mir vorstellen. Die Situation ist nachgestellt und doch so echt, so real wie in wohl nahezu jedem größeren Schurbetrieb Deutschlands. Verängstigte Tiere, aneinandergedrängt in engen Käfigen. Wartend, während sie von nebenan die Schreie ihrer Artgenossen erklingen hören. Es ist nicht gerecht. Nicht nur allein ob des offensichtlichen Grundes, dass es ethisch keinesfalls vertretbar sein darf irgendeinem Lebewesen so etwas anzutun. Auch die rein rationalen, die kommerziellen Gründe, erklären ein solches Vorgehen vor allem für eines: nicht nachvollziehbar.
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Picture by Peta.de |
Um das zu verstehen, sind zunächst ein paar wichtige Hintergründe vonnöten: Jedes Jahr werden in Deutschland Tonnen und Abertonnen von Wolle durch Schafschur gewonnen. Dennoch wandert ein Großteil davon wieder auf dem Müll – Grund dafür: die Wolle der Australischen Merino-Schafe ist ungleich feiner und wird aus diesem Grunde bevorzugt für die Herstellung von Kleidungsstücken eingesetzt. Dieser Umstand sorgt dafür, dass die Deutsche Wolle in ihrem Marktwert sinkt (aktuell 30 Cent pro Kilo!), weshalb die Betriebe die Ausgaben möglichst niedrig halten, um überhaupt noch Profit aus dem Geschäft zu ziehen. So werden die Scherer auch pro Stück (ja wir reden hier von Schafen) bezahlt, anstatt nach Arbeitsstunden – was dazu führt dass diese unnötig grob vorgehen und keine Rücksicht auf das Wohl der Tiere nehmen. Einen Eindruck von diesen Vorgehen habt ihr ja bereits hier zu sehen bekommen. Bei der Schur entstandene klaffende Wunden werden ohne Betäubung und vor Ort mit Nadel und Faden zugenäht, Schwänze werden gekürzt, Ohren durchstochen und junge Lämmer werden (ebenfalls ohne Betäubung) mithilfe von engen Ringen oder Schurmessern kastriert. Um geringen Widerstand bei der Schur zu gewährleisten werden die Schafe zudem 24 Stunden vorher ohne Essen und Trinken in engen Käfigen zusammengepferrcht, um diese zu schwächen.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf, habe ich mich diese Woche bereit erklärt, bei einer Protestaktion von Peta in Bonn dabei zu sein. Als Schaf verkleidet sitze ich in einem engen Käfiggestell und erahne, durch die Maske eines Großteils meiner Sicht beraubt, die grobschlächtigen Bewegungen eines „Scherers“ der ein blutendes „Schaf“ mit einem Schurmesser traktiert. Hinter mir dröhnt markerschütterndes Geschrei aus einem Ghetto-Blaster, Aufnahmen, die während der Schur in einem Deutschen Betrieb gemacht wurden.
Es ist nicht gerecht. Auch die Reaktionen einiger Passanten erscheinen mir im Nachhinein mehr als fragwürdig. Obgleich ich während der ganzen Aktion kaum etwas von dem Geschehen um mich herum mitbekomme, zu markerschütternd dröhnen die Aufnahmen, berichten mir anschließend andere Aktionsteilnehmer, die außerhalb der Installation Flyer verteilten, von deren Reaktionen. Während einige durchaus interessiert gewesen seien, hätten wiederum andere sich zwar auf ein Gespräch eingelassen, aber trotz mehrmaligen Erklärens den Sinn der Aktion nicht begriffen. Was solle es bringen, wenn man als einzelner keine Schurwoll-Produkte mehr kaufe, sei ein häufiges Argument gewesen. Die Entgegnung, dass schließlich nur soviel produziert wie abgenommen werde, sei dabei auf taube Ohren gestoßen. Der Gedanke, dass viele einzelne zusammen eine große Masse ergeben können, blieb fern. Der Grundgedanke eines jeden Engagements.
Fünf Städte insgesamt waren es, in denen am Montag den 8.9. auf die brutalen Praktiken der Schur in Deutschland aufmerksam gemacht wurde. Und obgleich wir auf viel Unverständnis gestoßen sind, gab es doch einige Menschen, die wir mit unserer Aktion erreichen konnten. Und seien es nur ein paar einzelne – gelohnt hat sich das Ganze allemal!
Ich finde soetwas schrecklich, aber ich denke nicht das es aufhören wird.
Denn je mehr Konkurenzdruck es auf dem Markt gibt und je billger der Rohstoff gedrückt wird, desto skrupelloser werden manche Menschen.
Ich finde das Kernproblem von Tiermissbrauch oder auch dem Missbrauch von anderen Dingen liegt im Wirtschaftssystem, da viele nur darauf aus sind auf sich zu achten und nicht auf ihre Mitmenschen, geschweige denn der Weiterentwicklung der Erde. Wir könnten es ändern, aber viele sind zu beschäftigt sich um ihr eigenes Überleben zu sorgen.
Ich finde es mutig, was du getan hast. Ich denke aber, dass die Kapagnen moderer werden müssen. Bis jetzt ist Tierschutz eine Nische – entweder man ist dafür oder dagegen. Die Berichterstattung ist auch eher negativ – Stars werden belächelt, weil sie sich für Peta ausziehen, beim Walfang weist man darauf hin, dass die Boote der Tierschützer diese unnötig in Gefahr bringen. Ich denke, Filme und Theaterstücke sind sehr effektiv. Vlt. auch Literatur?
Das Problem bei Filmen bzw. Theaterstücken ist meiner Meinung nach, dass sie oft leider nur eine bestimmte Zielgruppe erreichen – an sich bin ich aber auch der Überzeugung dass sie grundsätzlich sehr effektiv sein können! Um auf das Argument mit den Booten zurückzukommen: Immer wenn ich erzähle, dass ich mich im Tierschutz engagiere gibt es einige Leute, die mich auf die Missstände von Organisationen wie Peta ansprechen. Oftmals ärgert mich das, da sich bei vielen bei intensiverem Nachfragen herausstellt, dass sie die Informationen selbst irgendwo aufgeschnappt, sich aber nicht näher darüber informiert haben. Inwiefern die Industrie da teilweise ihre Hände im Spiel hat, sei mal dahin gestellt. Ich werde dieses Thema aber auch noch einmal in einem konkreten Post aufgreifen …
Liebe Grüße!